Wenn ich in unserer Show GLANZ AUF DEM VULKAN und bald auch in meiner neuen Solo-Show MONDÄN den Geist der 20er Jahre beschwöre, berufe ich mich auf die wahren Freigeister, die mutigen und schaffenswütigen Kulturmenschen, die Erneuerer und Humanisten – echte Helden, deren Waffen Geist, Humor und irrwitziges Talent waren und die diese Welt zu einem besseren Ort hätten machen können, wenn man sie nur gelassen – am Leben gelassen hätte.
So viele von ihnen hat die Welt vergessen. Und wenn sie auch schon längst am Firmament der Ewigkeit als ein heller Glanz über all den weltlichen Dingen erstrahlen, so möchte ich Euch so manche Geschichte von ihnen und ihren Werken erzählen, Zeit und Raum für diesen Moment aufbrechen und diese Künstler und Künstlerinnen in die Welt, in der wir heute leben, nun mitten hinein holen.
Wir leben in einem wilden Wirbel, in dem wir manchem Wesen von heute und aus der Vergangenheit in einem Schleudermoment in dieser Spirale des Strudels kurz die Hand reichen, wo sich ganz kurz unsere Fingerspitzen berühren können und wir uns in die Augen blicken. Eine Berührung mit dem Leben – der Vergänglichkeit –, mit uns selbst und unserer Geschichte.

Am 14. Januar 1941 starb Fritz Grünbaum „an Herzlähmung“ – so die Angabe der offiziellen Todesursache – im Konzentrationslager Dachau, nachdem er kurz zuvor an Silvester noch für seine Kollegen, die Mithäftlinge im KZ, aufgetreten war.
„Wenn man kein Geld für Seife hat, sollte man sich besser keine Konzentrationslager halten.“ Diese Aufmüpfigkeit wagte sich der einstige Publikums-Liebling der Berliner und Wiener Show-Welt Fritz Grünbaum gegenüber einem Lager-Aufseher, der ihm zum Waschen ein Stück Seife verweigerte, denn man sei ja schließlich in einem Konzentrationslager.
Für dieses Fitzelchen Freiheit, die Freiheit des Humors, seines Galgenhumors, riskierte er sein Leben, das nach Jahren von Auszehrung und Erniedrigung als Latrinenträger im KZ Dachau, zwischendurch in Buchenwald, ohnehin nur noch am seidenen Faden hing. Die New Yorker deutsch-jüdische Exil-Zeitung schrieb aus Anlass der Ermordung Grünbaums in Dachau: „Das Schrecklichste war, dass er weniger wie ein Dachauer Häftling aussah, als vielmehr wie ein Dachauer Häftling, von Fritz Grünbaum gespielt. Man war auf eine Posse gefasst und es war eine Tragödie.“

Fritz Grünbaum war einst der absolute Shooting-Star der Varietés und Cabarets der Weimarer Republik. Seine Karriere war beispiellos kometenhaft und doch so charakteristisch für diese Zeit, weil sie alle Genregrenzen aufbrach und neue Genres hervorbrachte. DAS waren die wirklichen goldenen 20er Jahre! Auch wenn wir wissen, dass wo viel Glanz, da auch viel auch Elend ist. Fritz Grünbaum wusste selbst das in Einklang zu bringen: „Ein Conférencier ist einer, der dem Publikum möglichst heiter zu erklären versucht, dass es heutzutage nichts zu lachen gibt.“

Fritz Grünbaum aus Brünn, geboren im Jahr 1880, hat die Selbstironie zum Prinzip erhoben und den miniatur-philosophischen Witz geboren, womit er den Maßstab für die zahlreichen Theater und Cabarets der 20er Jahre gesetzt hat. Schon die Antwort auf die einfache Frage, wo er herkommt, gerät bei ihm zum Bonmot. „Ich bin in Brünn geboren, aber ich möcht dort nicht begraben sein.“

Der studierte Jurist ging also nach Wien und schlug von dort aus bis nach Berlin den großen künstlerischen Bogen vom Erfinder der intelligenten und doppelbödigen Conférence, mit seinem Partner Karl Farkas auch der Doppelconférence, hin zum Bühnen- und Filmschauspieler, Cabaret-Direktor, Librettist und Texter unzähliger Chansons, Operetten, Revuen, aber auch Filmdrehbücher. Er war der Unterhaltung verpflichtet, und Genregrenzen gab es für ihn keine, dafür eine klare Haltung: „Das Publikum soll über meine Witze lachen, aber es soll sich niemand am nächsten Morgen dafür schämen müssen, bei mir gelacht zu haben.“

Unter dem Motto „schön und gescheit – das ist zu viel“ wusste er, wo seine Stärken liegen, aber auch, wie man seine vermeintlichen Schwächen immer mit einer guten Pointe in Szene setzt.

„Ich frage mich oft, wenn ich schlaflos so liege
Und meine Erfolge bei den Frau’n überfliege
Und mit den Gedanken so mitten beim Dreh’n bin
Was hab’ ich schon wirklich davon, daß ich schön bin?“

Januar 2021 – kommen wir zu heutigen selbsternannten Shootingstars aus den weitgehend humor- und talentfreien Niederungen der deutschen TV-Unterhaltungsindustrie unserer Zeit. Da windelt und wandelt man so gedankenlos vor sich hin und her auf dem Zenit der Bedeutungslosigkeit und Inhaltsleere und tituliert, weil einem grad nix Besseres einfällt, Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie quasi im Vorbeigehen als KZ-Diktatur.
Das ist aber ein paradiesisches KZ! Mit Seifen, Shampoos, Cremes und Wässerchen aller Art. Ein stets reich gedeckter Tisch und den unnötigsten Klimbim im begehbaren Wohnschrank. In so einem modernen KZ-Paradies ist das alles auch sehr wichtig, denn auf die äußere Schönheit allein kommt’s heute doch an! Der Narzissmus und Hedonismus unserer Tage ist aber gar nicht so modern, wie er tut, sondern wohl eher ein Phänomen der Menschheit an sich, zu dem Fritz Grünbaum schon sagte: „Wenn ein Mensch durch ein Glas schaut, dann sieht er die anderen Menschen. Aber legt er nur ein bisschen Silber darunter, dann sieht er im Spiegel nur noch sich.“

Geschichte ist aber auch was Schönes! Man kann sich so wunderbar bedienen. Alles ist schon mal da gewesen, und fügt man heute jemandem ein neues kleines „Aua“ zu – und sei es auch nur ein Phantomschmerz –, da pickt man sich was Schönes raus: Diktatur, Judenstern, KZ – was hätten Sie denn gerne?
Und mit diesem billigen Trick zur Selbstüberlistung ist man schwuppdiwupp ganz elegant und unauffällig diesen lästigen Anstand und Respekt los, hat den moralischen Kompass auf den Kopf gestellt.
Aber so ein Kompass ist ja auch nicht blöd! Einfach gestrickt vielleicht – denn er hört nur auf die Stimme der Naturgesetze. Die Kompassnadel ist unbestechlich!

Fritz Grünbaum hätte auch auf so etwas jedenfalls garantiert die passenden Worte gefunden – gerade nur so viele, wie es die Angelegenheit verdient, mit denen jedoch alles gesagt ist.
Im Kabarett Simpl in Wien bei einem seiner Auftritte 1933 gab es einen Stromausfall. Plötzlich alles dunkel auf der Bühne und im vollbesetzten Zuschauersaal. Stockduster. Und Grünbaum parierte blitzschnell mit diesem Bonmot: „Ich sehe nichts, absolut nichts – da muss ich mich wohl in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.“
Sein langjähriger Bühnenpartner Karl Farkas sagte über ihn: „Der kleine Mann mit den ganz großen Pointen, die immer ins Schwarze trafen, ohne zu verwunden – weil ihre ätzende Wirkung durch Güte entschärft wurde. Er dachte mit dem Herzen, ein rührender Philosoph als drastischer Komiker.

In diesem Sinne: Hoch lebe Fritz Grünbaum! Hoch lebe der Humor und die Menschenliebe!

Mehr von Fritz Grünbaum und den echten Freigeistern der wahrhaft goldenen 20er Jahre, damals und heute, und noch vielerlei andere interessante Dinge, auf die ich meinen ganz persönlich Blick werfe, könnt Ihr in den weiteren Blogs und Podcasts von Evi’s Séparée erleben. Die nächste Folge gibt es am 03. Februar 2021.
Live & in Action erlebt Ihr uns in unseren Shows der M&G Showcompany, die Euch unter dem Motto Musik & Glamour von Evi & Leu präsentiert werden. Den Tourplan und viele weitere Bilder, Sounds und Infos findet Ihr auf unserer Homepage. Also besucht uns auf www.elastic-tu.94-102-211-149.plesk.page.94-102-211-149.mediagentur-1.vautronserver.de.
Wir sind ein Rundumbetrieb, also rund um die Uhr geöffnet!
Von unserer Homepage aus gelangt Ihr auf alle unsere anderen Portale und Kanäle, von Facebook bis Spotify – wo man sich als Künstler von Welt eben so rumtreibt heutzutage.
Ihr dürft bitte freundlichst posten, liken, teilen, taggen, streamen, abonnieren, damit wir immer mehr und mehr werden in meinem Séparée! Ist lange nicht so unanständig, wie es sich anhört, macht dafür aber umso mehr Freude!

Habt alle einen wunderbare Zeit, aufregende Nächte, und immer schön gesund und munter bleiben.
Gruß & Kuss Eure Evi

Glossar
Bonmot: treffende geistreiche Wendung – witzige Bemerkung
parieren: im sprachlichen Sinne etwas entgegenhalten
KZ: Konzentrationslager zur Vernichtung von Menschen während der Nazi-Zeit in Deutschland
mondän: von extravaganter kosmopolitischer Eleganz
Simpl: ein einfältiger Mensch
Sépareé: kleiner Nebenraum für ungestörte Zusammenkünfte
Conférence: Ansage im Varieté, von der einfachen Ansage bis zur satirisch gewitzten Plauderei mit philosophischem Untergrund
Hedonismus: Der Glaube, dass es im Leben einzig auf Lust, Genuss, Begierde und die Vermeidung von Schmerz ankommt
Narzissmus: Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung über jedes realistische Maß hinaus, wodurch oft nur Minderwertigkeitskomplexe verdeckt werden

Personen- und Ortsregister
Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Evi Niessner, Mr. Leu, Kabarett Simplizissimus, Wien